Aufgrund unterschiedlicher Anforderungen an Kreativität und Disziplin wird der Innovationsprozess in zwei Phasen aufgeteilt: In die frühen Phasen und danach in die strukturierten Bausteinphasen (auch Stage-Gate genannt). Gassmann und Granig bezeichnen die frühen Innovationsphasen als «Wolkenphasen», Link spricht vom «Fuzzy Front End». Gerade die frühen Phasen des Innovationsprozesses sind durch eine hohe Ungewissheit des Problem- und Lösungsraums gekennzeichnet. Durch iteratives Vorgehen sollen die Bedürfnisse und Anforderungen schrittweise ermittelt werden. Die späten Innovationsphasen oder «Bausteinphasen» sind klar strukturierbar und sind straffer zu führen als die frühen Phasen. Der Bedarf an Kreativität nimmt ab und die Umsetzung gewinnt an Bedeutung (Gassmann & Granig, 2013, S. 22–24; Link, 2014, S. 65). «Kreativität zum falschen Zeitpunkt ist schädlich für das Projekt» (Gassmann & Granig, 2013, S. 22). Als Schlüsselerfolgsfaktoren gelten die Aktivitäten innerhalb der frühen Phasen («Front End»), bevor das Management die Go/No-Go-Entscheidung für die Produktentwicklung trifft (Rosenthal & Khurana, 1998; Skogstad, 2009 in Link, 2014, S. 69). Kunden in den Innovationsprozess miteinzubeziehen, bspw. durch Design Thinking (siehe Kapitel 3.2.5) oder Open Innovation (siehe Kapitel 3.2.8) scheint wichtiger zu werden (Gassmann & Granig, 2013; Hieronymi, 2016; Link, 2014). Ein Standardmodell, welches für alle Unternehmen und Anwendungsfälle geeignet ist, gibt es nicht. Je nach Situation, Schwerpunkt und Zielsetzung haben verschiedene Modelle ihre Berechtigung. Eine Möglichkeit nach Link ist es, agile (Software-) Entwicklung mit einem Stage-Gate-Prozess zu kombinieren (siehe Abb. 8). Das heisst, dass das eigentliche Entwicklungsprojekt in Geschäfts- und Managemententscheidungsprozesse eingebettet ist. Entscheide werden an klar definierten Meilensteinen gefällt. Die Entscheidungsgrundlagen werden in agilen Prozessen erarbeitet (Link, 2014, S. 87). Auch Cooper hat eine neue Generation des Stage-Gate-Prozesses beschrieben, die adaptiver, flexibler und an agile Prozesse angelehnt ist. Ebenfalls gibt es auch einen Stage-Gate-Ansatz für «Open Innovation» (Cooper, 2017).

Abb. 8: Agile Prozesse kombiniert mit Stage-Gate-Prozess (Link, 2014, S. 88), Darstellung nach De Roni, F. (2020)

Die in Tabelle 5 vorgenommene Beurteilung basiert auf obiger Abb. 8, also Stage-Gate für Gesamtprozess und agiles Vorgehen zur Erarbeitung der Entscheidungsgrundlagen.

Agiles Vorgehen + Stage-Gate (Hybrider Ansatz)
Einsatzgebiet– Bei Projekten mit instabilen und unvollständigen Anforderungen
– Wenn nur eine vage Idee über das zu entwickelnde Produkt vorliegt
– Bei Projekten, wo die Einbindung des Kunden in die Entwicklung ein kritischer Erfolgsfaktor ist
Vorteile– Systematisiert die Entwicklung
– Verbessert die Qualität bei der Durchführung
– Schafft Transparenz und gemeinsames Verständnis
– Fördert Kommunikation im Team und mit dem Management
– Kann als Managementinstrument und zur Prioritätensetzung eingesetzt werden
– Erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit
Nachteile– Agilität benötigt ein anderes Mindset als Stage-Gate (Herausforderung)
– Stage-Gate wird durch Kombination mit iterativem Vorgehen nicht mehr so greifbar
– Bei zu dogmatischer Anwendung der Stage-Gate-Systeme besteht die Gefahr einer geringen Effektivität bei der Projektselektion und einer mangelnden Effizienz in der Projektdurchführung.
Anmerkung des Autors: Ausserdem sind bei einer linearen Umsetzung in der strukturierten «Bausteinphase» dieselben Nachteile wie bei Stage-Gate vorhanden. Insbesondere nennt das Modell auch Iterationen innerhalb von einzelnen Phasen, wodurch die Vorteile von agilem Vorgehen gar nicht ausgeschöpft werden können.
Voraussetzungen / Vorbedingungen– Kreativität und Geduld in den frühen Phasen -> Vision setzen und Leitplanken schaffen
– Disziplin in den strukturierten, späten Phasen
– Agile Prozesse mit definierten Stage-Gate-Prozessen verknüpft
– Interdisziplinäres Team
Tab. 5: Überblick Hybrider Ansatz aus agilem Vorgehen und Stage-Gate

Quellen: (Gassmann & Granig, 2013, S. 22,26-27; Link, 2014)

Quellen

Hinweis: Dieser Artikel dient Ausbildungs- und Inspirationszwecken (This article serves educational and inspirational purpose). Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus der Masterthesis “Innovation Y & Z: Ein auf Generation Y und Z ausgerichteter Innovationsprozess für Softwarehersteller” von Flavio De Roni, welche 2020 an der Hochschule für Wirtschaft in Zürich (HWZ) eingereicht worden ist. Die Teilung des Inhalts erfolgt mit ausdrücklicher Zustimmung des Autors. Die Management Summary und gesamte Arbeit findet sich unter folgendem Link auf flavioderoni.ch.

  • Cooper, R. G. (2017). Winning at New Products: Creating Value Through Innovation (5. Aufl.). Basic Books.
  • Gassmann, O., & Granig, P. (2013). Innovationsmanagement: 12 Erfolgsstrategien für KMU. München: HANSER.
  • Hieronymi, A. (2016). Das VUCA-Konzept – Vier Denkkategorien für Führung und Kommunikation in einer Welt des Wandels. In scil Arbeitsbericht 25 – Führungskräfteentwicklung mit Zukunft (S. 6–21). scil.
  • Link, P. (2014). Agile Methoden im Produkt-Lifecycle-Prozess – Mit agilen Methoden die Komplexität im Innovationsprozess handhaben. In K.-P. Schoeneberg (Hrsg.), Komplexitätsmanagement in Unternehmen: Herausforderungen im Umgang mit Dynamik, Unsicherheit und Komplexität meistern (S. 65–92). Wiesbaden: Springer Gabler.
  • Rosenthal, S. R., & Khurana, A. (1998). Towards Holistic “Front Ends” In New Product Development. The Journal of Product Innovation Management, 15(1), 57–74. Abgerufen von https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/1540-5885.1510057
  • Skogstad, P. L. S. (2009). A unified innovation process model for engineering designers and managers.

in

  • De Roni, F. (2020). Innovation Y & Z: Ein auf Generation Y und Z ausgerichteter Innovationsprozess für Softwarehersteller. HWZ.

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Flavio

Master in Business Innovation. B.Sc. Business Engineering|Innovation. Blogger. Traveller. Head Technology Strategy & Innovation Portfolio. #ginvibes. Knight of Taste. Sports enthusiast. Foodie. Creative Kid. #iger. The guy behind inspiique.

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